Was versteht man unter Schuldgefühlen und welche Auswirkungen können diese auf unsere seelische Gesundheit haben?

In der psychoanalytischen Sicht (nach Freud) sind Schuldgefühle eng mit dem sogenannten Über-Ich verknüpft, das Gewissen und verinnerlichte Normen repräsentiert. Werden diese Normen – selbst nur gedanklich – verletzt, reagiert das Über-Ich mit Schuldgefühlen und Bestrafungsängsten. Menschen können dann sogar quälende Schuldgefühle entwickeln, ohne dass eine konkrete reale Schuld vorliegt. Diese Gefühle können zu enormem inneren Druck führen und in manchen Fällen sogar in eine Depression münden.

Wenn Schuldgefühle unangemessen und neurotisch werden, kann psychotherapeutische Hilfe nötig sein, um sie zu lösen und realistische von übersteigerten Schuldgefühlen zu unterscheiden.

Viktor E. Frankl betont in seiner Logotherapie, dass der Mensch trotz äußerer Einflüsse geistig Stellung nehmen kann. Erst diese Freiheit zur Stellungnahme ermöglicht es uns, überhaupt schuldig zu werden.

Zwar wird Schuld oft als belastendes Gefühl wahrgenommen, das zu Rückzug, Reizbarkeit oder Scham führen kann. Doch Schuld kann zugleich etwas Positives bewirken, wenn wir:

⁃ Reue empfinden und Wiedergutmachung anstreben

⁃ Selbst aus negativen Aspekten wie Schuld kann ein Sinn gewonnen werden. Die Einsicht in eigenes Fehlverhalten ermöglicht Lernprozesse, Reue und Veränderung.

⁃ Verantwortung übernehmen

⁃ Schuldgefühle können auch ein Motor sein, um ungewünschtes Verhalten zu korrigieren. So bewahren wir unsere Würde und entwickeln persönliche Reife.

⁃ Das Gewissen als Kompass nutzen

⁃ In der Logotherapie beispielsweise wird das Gewissen als „Sinn-Organ“ beschrieben: Es hilft uns, das Richtige vom Falschen zu unterscheiden und so künftige Fehlentscheidungen zu vermeiden.

⁃ Allerdings kann Schuld in ihrer übersteigerten Form auch dazu führen, dass Menschen sich klein und nichtig fühlen und entweder in den „Kampf“ (Aggression) oder die „Flucht“ (Vermeidung) gehen. Um diese destruktive Dynamik zu entschärfen, ist ein bewusster Umgang mit Schuld – beispielsweise durch Selbstreflexion oder therapeutische Unterstützung – entscheidend.

Schuldgefühle können sozusagen eine „prosoziale“ Funktion haben. Sie motivieren Menschen, Verantwortung für ihr Handeln zu übernehmen und sich künftig rücksichtsvoller zu verhalten. Scham kann hingegen verhindern, dass Menschen sich ihrer Schuld stellen, weil sie sich zu sehr für ihr Fehlverhalten oder ihre eigene Person schämen und es nicht offen zugeben möchten. In einer funktionierenden Gesellschaft ist es wichtig, dass Individuen „gesunde“ Schuldgefühle entwickeln können, um Einsicht zu zeigen und Konsequenzen zu ziehen. Fehlt dieses Gefühl vollständig, kann das gesellschaftliche Zusammenleben gefährdet sein.

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Wie kann ich mit Schuld umgehen?

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